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Von der Tücke des Objekts

Als Isaac Newton vor über 330 Jahren unter einem Baum faulenzte, fiel ihm prompt ein Apfel aufs Haupt. Offenbar hat dies die Kraft seiner Gedanken nachhaltig angeregt, denn er entdeckte bei dieser Gelegenheit die Gravitation.

Mich verbindet mit Newton lediglich, daß ungleich häufiger als bei anderen Zeitgenossen etwas auf mich fällt, mir aus der Hand gleitet oder das Schicksal ähnliche kleine Bosheiten bereit hält. Bahnbrechende Entdeckungen sind mir dabei leider noch nicht gelungen.

Dafür fiel mir kürzlich auf, daß der Nachbar mich nicht mehr grüßt. Das Klirren mehrerer heruntergefallener Teller und meine lauten Unmutsäußerungen über das Mißgeschick, eine Folge meines etwas cholerischen Temperaments, ließen ihn argwöhnen, daß ich dabei sei, meine Familie zu prügeln.

Arme Frau, arme Kinder, sie allein wissen, daß dem nicht so ist. Obwohl, leicht haben sie es nicht mit mir.

Zum Beispiel Ostern: Nur dem warmherzigen Zuspruch der Mutter ist es zu danken, daß die Kids wieder mit mir reden.

Zuerst trat ich in eines der verborgenen Schokoladennester, versuchte erst meine Schuhe, dann meine Finger zu säubern und gleichzeitig die empört aufbrüllende Kleine zu trösten. Erstaunlich, was Schokoladenfinger für Spuren auf Haut und Kleidung hinterlassen können.

Danach standen wir vor der Dusche Schlange und schauten der Waschmaschine bei der Arbeit zu.

So war es schon immer. In jungen Jahren entbrannte ich in heißer Leidenschaft zu einer reizvollen Schönen, die ich im Überschwang der Gefühle zu ehelichen, zumindest aber näher kennenzulernen, beabsichtigte.

Die Sache lief hoffnungsvoll an. Der Einladung zum Kaffee schien sie gerne zu folgen, stimmungsvolle Musik, Kerzen und ein geistreiches Gespräch sollten ihr Herz für mich öffnen.

Als der Kaffee auf dem Tisch stand, schenkte ich ihr einen tiefen, beseelten Blick und griff nach ihrer Wange, um diesselbe zu kosen. Sie aber sprang jäh in die Höhe und stieß einen Schrei aus. Mit eisigem Blick entfernte sie Kaffeepfützen und Kuchenreste aus ihrem Schoß und verabschiedete sich überstürzt.

Ich habe nie wieder von ihr gehört. Offenbar war sie wenig belastungsfähig.

Erfolgreicher gestaltete sich der Versuch einer erneuten Gattenwahl. Meine Gefährtin, die mein Leben mit mir teilt, ist von ausgeglichener Wesensart und sehr geduldig. Trotz etlicher Widrigkeiten hat sie mir zwei entzückende Töchter geschenkt, die in Sachen Ungeschick nur wenig nach ihrem Vater geraten sind.

Die vergangenen Jahre erwiesen sich als durchaus harmonisch. Dazu trägt im Wesentlichen die Anschaffung einer leistungsfähigen Waschmaschine und der Besitz zweier Staubsauger bei. Am Telefon hängen die Nummern der wichtigsten Handwerkernotdienste und die Zahlungstermine für die Unfallversicherung.

Und alle sind sehr wachsam, damit mir nicht Ähnliches passiert, wie einem Freund. Der, schon in festlicher Kleidung und auf dem Weg zu einer Gesellschaft mit vielen wichtigen Leuten, gab kurz vor dem Verlassen der Wohnung einem dringenden Bedürfnis nach.

In der Eile übersah er, daß ihm die Hosenträger in das Produkt seiner analen Bemühungen geglitten waren, ordnete seine Kleidung und verließ hastig die Wohnung. Auf weitere Einzelheiten mag ich hier nicht eingehen, jedenfalls vermeint der gute Mann noch heute, daß ihm seine Mitmenschen naserümpfend begegnen.

Sowas kann unserer Familie nicht passieren. Aber - Moment ... Ich muß mal nach dem Rechten sehen. Im Kinderzimmer hat es gerade gewaltig gekracht und die geduldige Gefährtin schimpft wie ein Rohrspatz.

   

 

Von der Tücke des Objekts: (c) Rainer Peterburs, 1998
Veröffentlichungen: 1999 Abendblatt Zehlendorf, 1998 Abendblatt Steglitz, 2008 dasjahrbuch.de, 5/2009 Roseneck Magazin

Privater Abdruck unter Aurorennennung frei, Eine gewerbliche Nutzung bzw. Veröffentlichung ist kostenpflichtig und bedarf meiner ausdrücklichen Genehmigung